FaktencheckWas bringt teurer Spezial-Sprit wirklich?
VonHaluka Maier-Borst
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V-Power, Aral Ultimate - Spezialkraftstoffe versprechen mehr Leistung und größere Reichweiten. Wir haben überprüft, ob das stimmt.
Hach, was waren das für Zeiten damals 2003. Gerhard Schröder war als Autokanzler noch im Amt. Alexander Klaws, der erste Sieger bei "Deutschland sucht den Superstar", hatte mit "Take Me Tonight" einen Nummer eins Hit. Und Shell warb für seinen neuen Kraftstoff V-Power, der 100 statt 95 Oktan aufbot, dem Standardwert für Super.
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Doch anders als Altkanzler Schröder und DSDS-Sieger Klaws ist der Kraftstoff V-Power geblieben. Andere Mineralölkonzerne haben sogar nachgezogen wie Aral mit seinem Treibstoff Ultimate. Der wirbt sogar mit einer Zahl von 102 Oktan.
Das Versprechen all dieser Kraftstoffe ist im Kern das gleiche: mehr Leistung. Der Motor soll effizienter laufen, weil der Kraftstoff "klopffester" ist. Das bedeutet nichts anderes, als dass mit hoher Oktanzahl weniger unkoordinierte, heftige Zündungen im Motor passieren, die ihn außer Takt bringen.
Weniger unerwünschte Zündungen?
Vorstellen kann man sich diese ungewünschte Zündung ein bisschen so, als würde in einem Song jemand immer wieder unrhythmisch mit einem Gong dazwischen hauen. Unerwünschte Zündungen sind umso häufiger, je höher die Verdichtung des Motors ist - je stärker also das Gemisch aus Kraftstoff und Luft im Zylinder vom Kolben zusammengedrückt wird.
Bei einer starken Kompression verläuft die Verbrennung des Kraftstoffs schneller - unter Umständen kann sich der Kraftstoff auch selbst entzünden, noch bevor die Zündkerze aktiv wird. Häufen sich solche Zündungen, spricht man vom Klopfen.
Problematisch ist dieser Off-Beat, weil er der Leistung und zugleich auch der Lebensdauer eines Motors schadet. Darum klingt eine höhere Oktanzahl erst einmal gut. Sie bedeutet, dass der Kraftstoff einen hohen Anteil des Kohlenwasserstoffs Isooktan hat. Das Benzin ist klopffester, es kommt nur zu wenigen dieser unerwünschten Zündungen.
Leistung nur marginal gesteigert
Doch schon 2003 gab es Zweifel, wie gut das Spezialbenzin wirkt. Die "Autobild" zum Beispiel stellte in einem Test zwar fest, dass V-Power die PS-Leistung in zwei der drei getesteten Autos tatsächlich steigerte. Allerdings konnten die Tester keinen nennenswerten Leistungssprung feststellen, schon gar nicht ein damals versprochenes Plus von zehn Prozent. Ähnlich war auch das Ergebnis eines ADAC-Tests, der ebenfalls nur marginale Leistungssteigerung beschrieb.
Seitdem wurde wenig weiter getestet. Gegenüber dem Fachmagazin "Sprit Plus" erklärte der ADAC auch den Grund dafür. Die Effekte der höheren Oktanzahlen seien wohl so klein, dass sie nur schwer nachweisbar seien und man wolle das eigene Budget für derartig aufwendige und experimentelle Tests nicht einsetzen.
Und auch Olaf Toedter vom Karlsruher Institut für Technologie sagt zum SPIEGEL: "Ein großes Mehr an Leistung werden sie mit einem normalen Fahrzeug und diesem Spezialbenzin nie erreichen." Der Grund dafür sei aber weniger Etikettenschwindel, sondern viel mehr, dass die Motoren in Durchschnittsautos nicht auf derart hochwertiges Benzin ausgelegt sind.
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Die Elektronik moderner Autos steuert den Zeitpunkt der Zündung sehr genau, damit der Motor in möglichst allen Drehzahlbereichen und Gaspedalstellungen mit optimaler Leistung läuft. Kommt es trotz allem doch zum Klopfen, weil eine unkontrollierte Zündung passiert, schreitet die Klopfregelung des Motors ein. Der Motor zündet den Kraftstoff dann ein bisschen später, was ihn zwar weniger effizient macht, aber eben das belastende Klopfen reduziert.
Bei einer höheren Oktanzahl könnte ein Motor mit einer höheren Verdichtung arbeiten und so tatsächlich deutlich mehr an Leistung herausholen. Weil gängige Motoren jedoch keine erhöhte Verdichtung nutzen, laufen die Kolben mit dem Spezialkraftstoff nur minimal runder als mit normalem Benzin. Die minimalen Leistungsverbesserungen kommen demnach nur zustande, weil seltener die Klopfregelung eingreifen muss, die den Kraftstoff noch später zündet.
"Würden alle Autohersteller sich auf die neuen Benzinsorten einigen, könnten Motoren tatsächlich darauf ausgelegt werden und somit ihre Leistung verbessert werden, was auch für den CO2-Ausstoß besser wäre", sagt Toedter. Doch bisher sind es nur wenige Sportwagen, die von ihrem Fahrer verlangen, dass er sie mit teuren Kraftstoffen betankt, die 100 Oktan und mehr beinhalten.
Am Ende bleibt somit als Fazit übrig: In der Theorie könnten die Superkraftstoffe tatsächlich mehr an Leistung bringen und sogar der Umwelt nutzen. Doch die dafür ausgelegten Autos haben wohl die wenigsten von uns in der Garage.